Sanftes Ankommen für Frühgeborene – Eine Erstversorgung bei Risiko-Geburten, während Kind und Mutter noch per Nabelschnur verbunden sind: Auf diese revolutionäre Methode setzt die Diakonie in Bad Kreuznach
„Die Mehrzahl der Geburten verläuft normal und ohne Komplikationen. Bei Risikogeburten oder Kindern, bei denen eine Frühgeburt droht, können wir nun unsere Versorgungssicherheit nochmals erhöhen“, betont Dr. Michael Kumbartski, Chefarzt für Gynäkologie und Geburtshilfe am Diakonie Krankenhaus, anlässlich einer Fortbildung für Gynäkologen, Hebammen und Kinderärzte in Bad Kreuznach. Ein Baustein bei dieser Versorgungssicherheit ist ein neu angeschafftes Gerät und daran angepasste Abläufe, die insbesondere sehr kleinen Risikofrühgeborenen das sanfte Ankommen im Leben erleichtern. Als eines von wenigen Perinatalzentren in Deutschland nutzt die Stiftung kreuznacher diakonie seit wenigen Wochen einen besonderen Geburtstisch im Kreißsaal. Dieser wird über dem Bauch der Mutter platziert und ermöglicht dem Team aus Geburtshelfern und Neonatologen, Mutter und Kind zu untersuchen und zu behandeln, während beide noch über die Nabelschnur verbunden sind. In diesem Concord Birth Trolley (con cord = mit Nabelschnur) sind alle Geräte verbaut, die für die intensivmedizinische Unterstützung benötigt werden. Möglich wurde dies durch die großzügige Spende der Ossig-Stiftung an den Förderverein der Kinderklinik e.V..
Bei einer normalen Geburt und gesunden, termingeborenen Kindern wird die Nabelschnur erst dann durchtrennt, wenn das Baby die ersten Atemzüge gemacht hat. Bei Frühgeborenen unter 1.500 Gramm müssen die Ärztinnen und Ärzte der Neonatologie oft schneller reagieren, um die Kinder bei der Anpassung zu unterstützen und zu überwachen. Dank neuer Technik ist die frühe Abnabelung nun nicht mehr nötig.
„Die Möglichkeit sehr kleinen Frühgeborene bei intakter Nabelschnur zu versorgen, ist ein revolutionärer Schritt. Während wir uns gemeinsam um Mutter und Kind kümmern, ist das Baby auch nach der Geburt noch mit allem versorgt, was es braucht. Die zusätzlichen fünf bis sieben Minuten schenken dem kindlichen Kreislauf die Zeit, sich an das neue Leben außerhalb des Mutterleibs anzupassen. Sobald das Kind die ersten Atemzüge gemacht hat und stabil ist, wird die Nabelschnur durchtrennt. So können wir die Sicherheit für die Kinder erhöhen und das Risiko für Komplikationen noch weiter reduzieren “, erklärt der Neonatologe und Oberarzt Dr. Edmondo Hammond.
Mit dem Concord Birth Trolley (con cord = mit Nabelschnur) werden alle lebenswichtigen Funktionen wie Temperatur, Sauerstoff, EKG und das übrige Monitoring kontrolliert. Das fahrbare Gerät kann sowohl im Kreißsaal als auch bei einem Kaiserschnitt im OP eingesetzt werden.
Nähe stärkt Eltern-Kind-Verbindung
Der große Vorteil ist auch, dass das Frühgeborene in den ersten Minuten in unmittelbarer Nähe der Mutter bleibt. Dr. Christoph von Buch, Chefarzt der Kinder- und Jugendmedizin und Ärztlicher Direktor des Diakonie Krankenhauses weiß, dass das Geburtserlebnis und die unmittelbare Nähe ein unglaublich intensiver und wichtiger Moment sind: „In der Geburtshilfe ist es das oberste Ziel, die wichtige Eltern-Kind-Bindung von Anfang an zu stärken und eine Trennung nach der Geburt möglichst zu vermeiden. Doch bei instabilen Frühgeborenen, die eine unmittelbare Erstversorgung im Inkubator benötigen, war das bislang nicht möglich gewesen. Jetzt können die Eltern ihr Kind während der Erstversorgung sehen, hören und auch berühren, bevor es zur weiteren Behandlung auf die Kinderintensivstation gebracht wird.“
Perinatalzentrum der höchsten Versorgungsstufe
Jedes 11. Neugeborene in Deutschland ist ein sogenanntes „Frühchen“. Im Diakonie Krankenhaus kommen im Schnitt 1.400 Kinder pro Jahr zur Welt, davon jedes Jahr rund 40 bis 45 Kinder mit einem Geburtsgewicht von weniger als 1.500 Gramm. Dafür hält die Stiftung kreuznacher diakonie ein Perinatalzentrum Level 1 bereit, das aus Geburtshilfe, Neonatologie und Neugeborenen-Intensivstation besteht.
„Wir sind personell als auch medizintechnisch sehr gut aufgestellt und können einen maximalen Versorgungsstandard für Neugeborene jeden Reifealters gewährleisten. Medizintechnik, die über das regelhafte/normale Versorgungsangebot hinausgehen, wird jedoch im Gesundheitssystem nicht refinanziert. Deshalb sind wir Dr. Karlheinz J. Ossig und dem Förderverein unserer Kinderklinik überaus dankbar, dass sie mit ihrem Netzwerk und ihren Spenden immer wieder innovative Angebote schaffen, die direkt unseren kleinen Patienten und ihren Eltern zugutekommen. In Deutschland nutzen nur 20 weitere von insgesamt 200 Perinatalzentren diese Technik“, bedankt sich Dr. von Buch bei der Übergabe und Vorstellung des Concord Birth Trolleys.
Seit 2005 engagiert sich die Ossig-Stiftung für die Kinderklinik des Diakonie Krankenhauses und hat in dieser Zeit schon 750.000 Euro an den Förderverein gespendet. Auch die Anschaffung des 40.000 Euro teuren Geburtstisches wurde komplett über Spenden finanziert, die auf der Charity-Veranstaltung „Nockherbersch“ durch den Kanevalistenclub Fidele Wespe, die großzügige Unterstützung der Sparda-Bank Südwest eG und durch zahlreiche Einzelspender für die Ossig-Stiftung zusammen kamen. Die Früh- und Neugeborenenstation liegt Stiftungsgründer Dr. Karlheinz J. Ossig sehr am Herzen: „Es ist uns ein besonderes Anliegen, dass sich auch Mütter mit besonderen Ängsten und Kinder, die eine kleine Starthilfe brauchen, im Diakonie Krankenhaus gut aufgehoben fühlen. Gerne unterstützen wir die Geburtshilfe und das Perinatalzentrum, damit Eltern und ihre Kinder wohnortnah die beste medizinische Versorgung finden.“
Bildquelle: Stiftung kreuznacher diakonie, Sandra Beck
Bildquelle: Stiftung kreuznacher diakonie, Isabel Mittler
Ärzte, Hebammen, Anästhesie- und OP-Personal trainieren die neuen Abläufe und Handgriffe mit dem neuen Concord Birth Trolley